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Familienforschung

Mein Ur-Ur-Urgroßvater Carl Otto Westphal,

Marionettenspieler (*07.09.1800 +20.05.1868)

Vor über 200 Jahren sah die Landkarte in Mitteleuropa noch deutlich anders aus, als wir es heute kennen. Deutschland bestand aus mehreren Königreichen und Großherzogtümern. Im Wiener Kongress waren 1815 die Grenzen neu gezogen worden. Der Deutsche Bund war ein Verläufer des Deutschen Reiches und verband die souveränen Fürsten und freien Städte Deutschlands. Mitspracherechte für die Bürger - wie heute üblich - gab es damals nicht. Als Untertan war man vom Wohl und Wehe seines Herrschers abhängig. Zu dieser Zeit wuchs mein Ur-Ur-Urgroßvater Carl Otto Westphal heran. Am ersten Sonntag des Septembers 1800 in Stadthagen im heutigen Niedersachsen geboren, gehörte seine Familie dem Herzogtum Schaumburg-Lippe an. In den Aufzeichnungen steht, dass er später als Marionettenspieler in Stadthagen und Umgebung das Auskommen für sich und seine Familie verdiente. Somit sicherlich auch auf Schloss Bückeburg, dem Stammsitz der Fürsten von Schaumburg-Lippe. Marionettenspieler verfügten über ein breit gefächertes Repertoire. Dazu gehörten nicht nur unterhaltsame, sondern auch sozialkritische Stücke und welche mit religiösen Inhalt. Komische Figuren, wie exemplarisch der deutsche Hanswurst, sorgten dafür, dass solche Geschichten nicht zu ernsthaft wurden. In den Schaumburg-Lippischen Mitteilungen, Heft 33, vom Schaumburg-Lippischen Heimat- verein e.V. erfährt man viel über die damalige Zeit. Mein Dank gebührt Frau Dr. Silke Wagener-Fimpel, die mir ein Exemplar des Hefts zur Verfügung gestellt hat. Auch wenn das Marionettenspiel nur wenig abwarf und man sprichwörtlich „von der Hand in den Mund“ lebte, so waren Marionettenspieler einige der wenigen, die in der Öffentlichkeit auch mal eine andere Meinung (natürlich geschickt in Geschichten verpackt) vertreten durften, ohne gleich Kopf und Kragen zu riskieren. Ob die Wurzeln der Familie ursprünglich aus Westfalen stammen (Westphal = der aus Westfalen kommende), konnte ich im Rahmen der Familien- forschung noch nicht ermitteln. Im Geburtseintrag von Carl Otto findet sich bei den Eltern die Ortsangabe „Neumünster“, sowie bei seinem Vater Johan Mathei der Zusatz „reisender Tuchhändler“. Als Mutter ist Maria Anna geb. Paradeis angegeben. Beide sind in den Kirchenbüchern Neumünsters auf Archion leider nicht zu finden. Carl Otto Westphal und seine Frau Johanna Christina Schützen, die gebürtig aus Giesen bei Hildesheim stammt, hatten acht Kinder. Im Staatsarchiv konnte ich Einblick in das im Oktober 1868 von der Witwe Johanna Christina abgegebene Testament nehmen. Darin wurde verfügt, dass das Vermögen, welches lediglich aus Mobiliar bestand, nach dem Tod an die Kinder verteilt wird. Der jüngste Sproß Carl Ludwig (1847-1897) wurde bereits im Münsterland geboren und ist auf dem obigen Familienbild von 1890 als
Familie Westphal, Aufnahme circa 1890.
Blick auf meinen Stammbaum Carl Otto Westphal (*1800 +1868) | Carl Ludwig Westphal (*1847 +1897) | Heinrich Westphal (*1880 +1960) | Karl Westphal (*1919 +1997) | Heinz Westphal (*1945 +2019) | Daniel Westphal (*1975)
Schloss Bückeburg im Juni 2021
Im Landesarchiv NRW, Abteilung Münster, habe ich einen original Konzessionsantrag von Carl Otto Westphal gefunden. Im Februar 1836 hat er handschriftlich eine Konzession zum Marionettenspiel für das Münsterland, sowie die Regierungsbezirke Minden und Arnsberg, beantragt. Die Familie hatte im Jahre 1835 das Weserbergland verlassen und versuchte, im Münsterland ein besseres Leben zu finden. Im Antrag heißt es wörtlich: „Die Familie Westphal erwäget sich edlig, lebt in dürftigen Verhältnissen, die zur Zeit umso drückender für sie sind, als sie bei ihren angereisten Kindern von 10 und 12 Jahren in Appelhülsen zu Beywohnung des Schulunterrichts zurück kehren und diese Fürsorge eine lebenswichtige ist.“ Ein großes Dankeschön an René Casagrande für die Übersetzung aus altdeutscher Schrift in lesbaren Text.
Familienoberhaupt abgebildet. Neben ihm seine Frau Gertrud Sautmann (1848-1927) aus Schapdetten und die sieben Söhne. Mein Urgroßvater Heinrich (1880-1960) - im obigen Familienbild ganz rechts stehend - übernahm nach dem ersten Weltkrieg einen Laden für Eisenwaren (heute würde man vermutlich „Kleiner Baumarkt“ dazu sagen). Verwandte, die in Bösensell auch eine Schmiede betrieben, fehlte ein Nachfolger für das Geschäft. So sprang Heinrich ein, zog mit seiner Familie in das Haus „Dorf 24“ und führte den Laden weiter. Somit legte er vermutlich den Grundstein für das kaufmännische Talent in unserer Familie. Er war verheiratet mit Paula Kracht (1880-1956), die ebenfalls aus Appelhülsen stammte. Zur Familie Kracht habe ich einen eigenen Beitrag verfasst. Mein Opa Karl (1919-1997) übernahm nach dem 2. Weltkrieg das Eisenwarengeschäft. 1954 zog er in das Haus, damals Dorf 21, das er von dem Besitzer Kurz pachtete. Ich kann mich gut an die Geschichte erinnern, dass seine Söhne Heinz und Bernard nach dem Krieg mit einem Verkaufswagen zu den umliegenden Höfen rausfuhren, um dort die Waren anzubieten. Mobiler Vertrieb, heute „up to date“. Mit dem Umzug in die Espelstraße Ende der 1960er Jahre wechselte das Sortiment, im Erdgeschoss wurde ein Lebensmittelladen eingerichtet. Eisenwaren und Jagdgewehre wurden im Keller untergebracht. Als Kind durfte ich hin und wieder mit runter in den Keller, um mit einem Luftgewehr auf Zielscheiben zu schießen. Und auf dem Rückweg durfte ich die ein oder andere Süßigkeit aus den Regalen nehmen. Bis ungefähr zur Jahrtausendwende wurde das Geschäft von Onkel Bernard und Tante Martha weiter betrieben. Heute sind die Räumlichkeiten in Bösensell an die Johannis-Apotheke vermietet.
Der ehemalige Eisenwarenladen in Bösensell gegen Ende der 1950er Jahre.
Unterschrift meines Ur-Ur-Urgroßvaters
Deckblatt des Testaments von 1868.
Penibel gepflegt: Auszug aus dem Wareneingangsbuch 1936