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Familienforschung
Mein Ur-Ur-Urgroßvater Louis Meschewsky,
Decorateur aus Elbing (*04.10.1822, +30.06.1885)
Es ist schon bemerkenswert, wo einen die Liebe hin verschlägt. Dank
meiner Internetrecherche auf gedbas.de und einer Google-Suche habe ich
zunächst herausgefunden, dass der 1885 in Münster verstorbene Louis
(Ludwig) Meschewsky gebürtig aus Elbing in Westpreußen stammt. Seine
Frau Lisette Bierwirth wurde in Osnabrück geboren. Bemüht man die
Routenplanung von Google Maps, so findet man heraus, dass zwischen dem
Münsterland und der Danziger Bucht rund 975 Streckenkilometer liegen.
Eine nicht ganz unerhebliche Entfernung Mitte des 19. Jahrhunderts, wo
man zum Reisen auf die Transportmittel Kutsche oder Schiff angewiesen
war.
Beide haben sich am 04.07.1848 in der Marienkirche in Elbing das Ja-Wort
gegeben. Meine Ur-Urgroßmutter Elisa(beth) Meschewsky wurde ein Jahr
später am 27.11.1849 in Münster in der Stadtkirche St. Ludgeri getauft.
Bis dahin haben sich turbulente Dinge ereignet, die ich gleich etwas näher
vorstellen möchte.
Aber noch ein paar Worte zu Elbing (seit 1945: Elblag). Elbing empfinde
ich als sehr sympatische Stadt. Geographisch liegt sie nahe der
Ostseeküste bei Danzig. Die Sankt Nikolaikirche reckt keck ihren Kirchturm
gen Himmel, Giebelhäuser prägen den Charakter der Stadt.
Mitte des 19. Jahrhunderts hatte Elbing rund 22.000 Einwohner und war
vom Handel geprägt. Man kann sich förmlich vorstellen, wie damals am
Stadthafen Fässer mit Fischen und Roggen gegen andere Handelswaren
getauscht wurden. Es herrschte sicherlich ein reges Treiben auf der
Speicher-Insel am Elbing-Fluss.
Recherche-Ergebnisse
Elbing gehört - wie weite Teile der Provinz Westpreußen - seit 1945 zu
unserem Nachbarland Polen. Hier bauen sich bei der weiteren Recherche
gewisse Hindernisse auf, denn Personenstandsregister oder Kirchenbücher
lassen sich nach dem Weltkrieg und der Übergabe an Polen nicht so leicht
einsehen. Trotzdem konnte mir das Evangelische Zentralarchiv („EZA“) aus
Berlin, welches Duplikate besitzt, den Heiratseintrag liefern und aus alten
Adressbüchern und Polizeiarchiven erhielt ich weitere Informationen.
Einen Glückstreffer landete ich im Landesarchiv Niedersachsen, Abteilung
Osnabrück. Hier liegt eine 44-seitige Akte zur Niederlassung des Sattlers
Louis Meschewsky als Tapezierer in Osnabrück von 1849*. Darüber
erfährt man einiges zu den Umständen der damaligen Zeit und dem Motiv,
ins Münsterland zu ziehen.
Louis Meschewsky ist Mitte 20 und schon längere Zeit als Tapezierer in
Elbing tätig. Zunächst laufen die Geschäfte gut. In der zweiten Hälfte der
40. Jahre des 19. Jahrhunderts verschlechtern sich allerdings für die
Menschen in der Region die Lebensbedingungen erheblich. Mißernten
führen dazu, dass die Preise für Lebensmittel und Agrarprodukte
insbesondere im Osten dramatisch ansteigen. Dies hat direkte
Auswirkungen auf das Handwerk. Es fehlen Aufträge und damit die
Erwerbsgrundlage. Dazu kommen die Unruhen im März 1848
(„Märzrevolution“) und die damit auftretenden Unsicherheiten. Elbing
selbst ist Ort zweier blutiger Auseinandersetzungen. Viele Handwerker
flüchten aus wirtschaftlichen Gründen in die Selbständigkeit und
verlassen, wenn möglich, die ehemaligen deutschen Ostgebiete. So auch
Louis Meschewsky. Seine Braut Lisette unterstützt ihn seit einigen Jahre
bei der Arbeit und fertigt Stickereien in Perlen, Wolle und Seide an. Sie
stammt gebürtig aus Osnabrück und so ist es letztlich das Heimweh zu
ihrer Geburtsstadt und die Hoffnung auf ein besseres Leben, was die
beiden gen Westen führt.
Im Januar 1849, einige Monate nach der Hochzeit, wird von ihm ein
förmlicher Antrag auf Niederlassung als Tapezierer in Osnabrück gestellt.
Wie sich herausstellen wird, leider ohne Erfolg. Vor Ort gibt es bereits
zehn niedergelassene Sattler, die ihm gegenüber bei der Anhörung des
Magistrats eine ablehnende Haltung einnehmen. Zusammenfassend kann
man sagen, dass sich die etablierten Handwerker keinen weiteren
Mitbewerber leisten wollen. Alle Anstrengungen sind umsonst, der
Niederlassung wird nicht statt gegeben und der Antrag vom Stadtrat
abgelehnt.
Der Sprung nach Münster hingegen klappt scheinbar umgehend. Vielleicht
ist es der Bürgenbrief aus Elbing, der ebenso wie der Freiheitsschein als
Niederlassungserlaubnis anerkannt wird.
Louis und Lisette Meschewsky wohnen in Münster zunächst auf der
Königsstraße. 1862 erfolgt der Umzug zur Hörsterstr. Nro. 108, zuletzt
findet sich in den Unterlagen die Adresse Ludgeristraße 10.
Ihre Kinder Louise „Elisa“ (1849-1922), Hermann (1854-1885) und Anton
(1861-1941) werden allesamt in Münster geboren. Elisa wird 1871 als
Jugendliebe von August Schmiemann den münsteraner Bildhauer heiraten
und mit ihm zehn Kinder großziehen. Hermann ist als königlicher Haupt-
Steuer‐Amts-Assistent zunächst in Bremen, dann in Hitzacker bei
Hannover tätig. Aus Hitzacker stammt
seine Frau Emma. Er verstirbt im früher
Alter von 31 Jahren in Berlin-Pankow.
Anton tritt in die Fußstapfen seines
Vaters und führt als Tapezierer und
Decorateur das elterliche Handwerk
fort. Er hat mit seiner Frau Anna, geb.
Pilk aus Billerbeck (1863-1906) drei
Kinder (Elisabeth *1892, Antonia *1893
und Hermann *1895).
Im Alter von 62 Jahren stirbt Louis
Meschewsky am 30.06.1885 in Münster.
Seine Frau Elisabeth wohnt noch einige
Zeit im Haushalt ihres Sohnes
Elbing (Elblag) in Westpreußen im April 2022.
Blick auf meinen Stammbaum
Louis (Ludwig) Meschewsky
(*1822 +1885)
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Elisabeth Meschewsky
(*1849 +1922)
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Johannes Aloysius Schmiemann
(*1880 +1943)
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Johannes Schmiemann
(*1915 +1971)
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Gerda Schmiemann
(*1945)
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Daniel Westphal
(*1975)
Das Raumaustatter-Handwerk - von Decorateuren, Sattlern und Tapezierern
Der Beruf des Raumausstatters („Decorateur“) ist seit dem 13. Jahrhundert bekannt. Am französischen Königshof erlangte der Beruf - früher auch
Tapessier („Tapezierer“) genannt – große Bedeutung. Durch ihn wurden Räume mit wertvollen Teppichen und Bespannungen an den Wänden
ausgestattet. Außerdem wurden gepolsterte Möbel hergestellt.
Seit Anfang des 18. Jahrhunderts finden wir den Beruf des Tapezierers auch in Deutschland, der ursprünglich nur Polsterarbeiten ausführte.
Während sich die Hauptgruppen des Handwerks schon im 13. Jahrhundert zunftmäßig formiert hatten, bildete sich das Tapezierhandwerk erst
verhältnismäßig spät heraus. Das ging nicht ohne Kampf vor sich. Zunächst waren es die Sattler und Riemer, die den Anspruch erhoben, die für die
bürgerlichen Wohnungen bestimmten Möbel zu polstern.
Der Decorateur ist ein sehr vielseitiger Beruf, der ein großes handwerkliches Können, aber auch ein ästhetisches Empfinden sowie Kreativität
verlangt.
Anton, bevor sie 1893 nach einem Schlaganfall in das Magdalenen-
Hospital (Ludgeristraße 25/26 in Münster) eingeliefert wird und dort im
Alter von 84 Jahren am 20.12.1906 verstirbt.
Wie und wo sich Louis und Lisette kennen gelernt haben, ist mir nicht
bekannt. Rund Tausend Kilometer Entfernung konnten die beiden nicht
daran hindern, sich zu verlieben. Vielleicht hatte Louis auf seinen
Wanderjahren Kontakt bis nach Osnabrück? Denkbar wäre das, aber es
wird wohl ein ungelöstes Geheimnis bleiben.
Noch ein paar Worte zu meinen Nachforschungen bezüglich der Eltern
von Louis Meschewsky. In historischen Adressbüchern habe ich Johann
Andreas (*1799) und Christi(a)ne Meschewsky (*1797), geb. Walter,
wohnhaft Große Vorbergstr. 15 in Elbing, ermitteln können. Bis zur
Hochzeit wurde unter selbiger Adresse Lisette Bierwirth geführt. Die
beiden heirateten lt. Eintrag des Militärkirchenbuchs Bartenstein am
01. Mai 1823 in Danzig. Zu dieser Zeit war Johann Andreas Musketier im
4. Königlichen Regiment.
Später taucht als Berufbezeichnung „Kreisbote“ auf. Christine
Meschewsky, einzige Tochter des Zimmermanns Matthias Walter,
verstirbt Ende Juli 1848, und somit kurz nach der Hochzeit von Louis
und Lisette. Wahrscheinlich sind beide die Eltern von Louis Meschewsky,
was ich aber mangels Taufeintrag (Kirchenbuch ist im Weltkrieg verloren
gegangen) nicht konkret belegen kann.
Nachtrag vom 24. April 2022:
Münster, Nottuln, Billerbeck. Die meisten meiner 32 Ur-Ur-Urgroßeltern
stammen aus dem Münsterland. Einige der Abstammungslinien führen
auch über die Grenzen Westfalens hinaus. Beispielsweise Beykirch nach
Kleve (Rheinland), Schützen nach Hildesheim (Niedersachsen) und
Fecke nach Warburg (Ostwestfalen). Die Linie Meschewsky ist die
entfernungsmäßig weiteste, führt sie doch bis nach Elbing
(Westpreußen).
Im letzten Jahr habe ich die meisten #kirchenmeinerahnen besucht,
also die Orte, an denen Vorfahren von mir getauft wurden, geheiratet
haben oder beerdigt wurden. Somit stand auch Elbing auf meiner noch
nicht ganz erledigten To-Do-Liste. In der zweiten Osterferienwoche
2022 war es soweit, ich habe Elbing besucht. Damit sich die lange Fahrt
lohnt, haben wir dies mit einer 3-tägigen Städtetour nach Danzig
verbunden.
Elbing kann man gemütlich an einem Tag erkunden. In der Altstadt
(„Stare Miasto“) befinden sich fußläufig die ehemalige St. Marien Kirche
(heute eine Kunstgalerie) und die Kirche St. Nikolai. Die ehemalige
Speicherinsel am Elbing Fluss existiert so leider nicht mehr. Nur die
charakteristischen sternförmigen Wassergräben der Zitadelle sind noch
rudimentär erhalten. Ein paar Schritte den Elbing-Fluß entlang und man
gelangt zum Museum der Stadt. Die Ausstellung ist für
Geschichtsinteressierte sehenswert, wenngleich die Begleittexte alle
auf polnisch geschrieben sind.
Die Adresse „Swietego Ducha“ Nr. 10, also die Heilig-Geist-Straße, liegt
zentral in der Altstadt. An dieser Stelle hat Louis Meschewsky gewohnt,
bevor er Lisette Bierwirth heiratete und aus Elbing weg zog. Die
schönen Giebelhäuser wurden nach den großen Zerstörungen im 2.
Weltkrieg überwiegend im ursprünglichen Stil wieder aufgebaut.
An der Adresse „Gr. Vorberg(straße)“, dem Wohnort von Andreas
Mischewski (Schreibweise mit „i“ lt. Adressbuch), gibt es heute außer
einer Straßenkreuzung nichts mehr zu sehen.
Alles in allem eine spannende Reise zu den Orten meiner Vorfahren.
* Mein allerherzlichster Dank geht an René Casagrande, der mir den umfangreichen
Text der Akte aus Kurrentschrift in lesbaren Text übersetzt hat.
Elbing am Elbing-Fluß. Alte Stadtansicht vor dem 2. Weltkrieg.
Blick auf die Heilig-Geist-Straße 10,
ehem. Wohnadresse Meschewskys
Schriftzug „Elbing“, dahinter die
typischen Giebelhäuser
Deckblatt der Akte von 1849. Handgeschrieben in Kurrentschrift.
Beilage zu No. 65 der Elbinger Anzeigen vom 12. August 1848
Sohn Anton Meschewsky in Uniform
Die damaligen Verkehrsmittel waren recht übersichtlich. Per Dampfboot oder
Fuhre konnte man in die Nachbarstädte reisen. (1847)
Annonce zur „Verfertigung von Polstersachen“. (Elbinger Anzeigen, 1848)